Das Project Management Office als Schlüsselstelle für das Projektportfolio
Immer kürzer werdende Innovationszyklen verbunden mit der Notwendigkeit einer immer schnelleren time-to-market, hohe finanzielle Aufwendungen mit Blick auf digitale Transformation, global verteilte Projektteams mit ohnehin schon angespannter Ressourcensituation, und …und …und. Gefühlt war die richtige Ausrichtung des Projektportfolios und die erfolgreiche Umsetzung der darin enthaltenen einzelnen Projekte nie wichtiger als heute. Eine entscheidende Rolle kann hierbei ein Project Management Office (PMO) spielen.
PMO?! Das haben Sie sicherlich schon mal gehört, allerdings erlebe ich es bei Unternehmen in der Praxis immer wieder, dass die Begriffe PMO (Project Management Office) und PO (Project Office) inhaltlich durcheinander gebracht und Rollen und Funktionen vertauscht werden. Deshalb möchte ich eingangs – und sehr kurz – den Unterschied zwischen einem Project Management Office und einem Project Office erläutern. Der Unterschied liegt in erster Linie im Zweck und damit verbunden im Zeitbezug, sowie der organisatorischen Verankerung.
Project Management Office vs. Project Office
Ein Project Office ist eine temporär existierende Einheit in der Organisation eines konkreten Projekts (oder in abgewandelter Form natürlich als Program Office im Fall eines konkreten Programms) und agiert hier als Teil des Projektmanagement-Teams durch die Übernahme bestimmter Projektmanagement-Aufgaben rund um die Projektplanung, die Projektsteuerung oder Berichtswesen und Kommunikation. Ebenfalls kann eine administrative Unterstützung für den Projektleiter und das gesamte Projektteam durch das Project Office erfolgen.
Ein Project Management Office hingegen hat eine projektübergreifende Funktion und gilt als zentrale Einheit in einer Organisation, die zum Ziel hat Projektmanagement-Standards einzuführen und zu optimieren, ein Projektportfoliomanagement zu etablieren, sowie Projekte und die hieran Beteiligten operativ zu unterstützen. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass ein Project Management Office im Unterschied zum Project Office eine auf Dauer angelegte Organisationseinheit (in der Linienorganisation) ist.
Ein PMO ist also etwas anderes als ein PO. Aber was macht ein PMO denn nun alles? Und wie kann es strukturiert werden?
Funktionen eines Project Management Offices
Meine Erfahrung beim Aufbau von PMOs ist, dass es einer geeigneten Grundstruktur bedarf, die es ermöglicht, das PMO schrittweise und mit der notwendigen konzeptionellen Reife auf- und auszubauen. Meine Herangehensweise ist, das PMO thematisch in 3 Säulen zu strukturieren:
- Center of Project Management Excellence
- Project Management Services
- Portfolio Management.
Center of Project Management Excellence
Das Center of Project Management Excellence kümmert sich im Kern um die Einführung und Weiterentwicklung von Projektmanagement-Standards, d.h. es werden Prozesse und Methoden für das Projektmanagement und Multiprojektmanagement entwickelt, sowie die zugehörigen Tools und Templates bereitgestellt und die betroffenen Organisationsmitglieder geschult. Das betrifft natürlich gleichermaßen klassische PM-Vorgehensweisen, als auch lean-agile-Methoden.
Im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung ist hier ebenfalls zu empfehlen ein Projektmanagement-Reifegradmodell einzuführen und gemäß diesem das Projektmanagement iterativ zu optimieren.
Ebenfalls kann in Zusammenarbeit mit dem HR-Bereich ein Projektmanagement-Fachkarrieremodell auf den Weg gebracht werden mit dem Ziel einen attraktiven Karrierepfad im Projektmanagement zu gestalten. Im Zeitalter von Arbeitnehmermärkten und zunehmendem Fachkräftemangel kann dies sicherlich ein entscheidender Baustein beim Ringen um die besten Projektmanager sein.
Project Management Services
Der Bereich Project Management Services bietet operative Unterstützungsleistungen für die einzelnen Projekte und Programme innerhalb des Portfolios. Hierfür entsendet das PMO Project Office Consultants, die temporär Projektmanagement-Aufgaben in den Projekten übernehmen. Dies kann sowohl eine Unterstützung über die komplette Laufzeit eines Projekts bedeuten, genauso aber einen zeitweisen und phasenbezogenen Einsatz, z.B. um die Planungsphase eines Projekts zu begleiten, das Berichtswesen für ein Projekt aufzusetzen oder das Risikomanagement für ein Projekt initial mit der Moderation von Risiko-Workshops zu installieren. Um dieses leisten zu können, müssen die Project Office Consultants natürlich über Expertenwissen insb. mit Blick auf Methoden zur Projektplanung und -steuerung verfügen. Ich empfehle meinen Kundenunternehmen in diesem Zusammenhang immer, die Project Office Consultants im ersten Jahr ihrer PMO-Zugehörigkeit eine Projektmanagement-Grundlagenschulung (im Idealfall gleich mit einer zugehörigen Zertifizierung, z.B. nach IPMA/GPM, PRINCE2 oder PMI) durchlaufen zu lassen, damit über die im jeweiligen Unternehmen angewandte konkrete Projektmanagement-Methodik hinaus auch ein besseres Verständnis für das Big Picture zum Themenfeld Projektmanagement entwickelt wird.
Die Einsatz von organisatorisch im PMO beheimateten Project Office Consultants hat ganze eine Reihe von gewinnbringenden Effekten:
- Welcher Projektleiter kennt nicht das Gefühl, dass der Arbeitstag nicht genügend Stunden hat um alles ordentlich erledigt zu bekommen? Aber das muss ja nicht sein. Mit einem Project Office Consultant an der Seite kann der Projektleiter bestimmte Projektmanagement-Themen an den Project Office Consultant abgeben und es ist sichergestellt, dass diese ordentlich erledigt werden. Ein funktionierendes Gespann aus Projektleiter und Project Office Consultant entlastet den Projektleiter und gibt ihm die Freiräume seinen vollen Fokus die wichtigsten Themen zu legen - ein schöner Effekt für den Projektleiter (und das Projekt).
- Anders herum gibt es natürlich auch einen schönen Effekt für den Project Office Consultant. Er darf sich in grundlegenden und wichtigen Projektmanagement-Themen „austoben“ und kann sich an der Seite einer erfahrenen Projektleitung vieles abschauen. Eine bessere praktische Ausbildung kann es kaum geben, wenn der Project Office Consultant anstrebt selber mal die Projektmanager-Laufbahn einzuschlagen. (Also aufgepasst, liebe HR-Bereiche: Mit dem richtigen Entwicklungskonzept für Project Office Consultants und dem richtigen PM-Fachkarrieremodell können Sie viel mehr Ihrer künftigen Projektmanager-Bedarfe selbst decken, als Sie es heute noch tun…).
- Wenn wir über kleinere oder mittelgroße Projekte sprechen, kann ein solches Konstrukt im Optimalfall sogar dazu führen, dass das Tandem aus Projektleiter und Project Office Consultant in diesem Zusammenschluss 2 Projekte parallel stemmen kann, wo der Projektleiter sonst „nur“ 1 Projekt leiten könnte.
- Ein weiterer Vorteil ist, dass der aus dem PMO kommende Project Office Consultant gewährleistet, dass die seitens des PMO entwickelte Projektmanagement-Methodik sauber in dem einzelnen Projekt angewendet wird. Dies reduziert das Risiko von Projektmanagement-bedingten Fehlentwicklungen im Projekt und erhöht gleichzeitig die Erfolgswahrscheinlichkeit des Projekt.
- In gegenläufiger Richtung sorgt der Project Office Consultant dafür, dass alle aus dem einzelnen Projekt für das übergeordnete und im PMO ansässige Portfoliomanagement benötigen Daten und Informationen vollständig, korrekt und pünktlich bereitgestellt werden, sodass das Portfoliomanagement eine valide Datenbasis für unternehmerische Entscheidungen bereithält.
- Zuletzt kann auf sehr einfachem Weg unter den im PMO beheimateten Project Office Consultants ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch etabliert werden um gleichermaßen Best Practices wie auch Probleme aus den einzelnen Projekten zu besprechen und auf diese Art und Weise eine Kultur des kontinuierlichen Austauschs, sowie des Lernens und der Weiterentwicklung gefördert werden.
Portfolio Management
Der Bereich Portfolio Management bildet die dritte Säule des Project Management Offices. Gern oft vernachlässigt, empfehle ich meinen Kunden immer, dieses Themenfeld ebenfalls zu betrachten, wenn es um die Einführung von Projektmanagement und PMOs geht. Das Portfolio Management schließt die Lücke zwischen Unternehmensstrategie und der operativen Umsetzung auf Projektebene. Ein zielgerichteter Portfolioplanungsprozess, der eine sinnvolle Methode zur Projektpriorisierung beinhaltet, ermöglicht es die gemäß Strategie „richtigen“ Projekte umzusetzen. Das PMO hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe den (zyklischen) Portfolioplanungsprozess zu moderieren und mit Best-Practice-Methoden auszustatten. Das laufende Controlling des Projektportfolios, sowie das zugehörige Reporting in Richtung aller Stakeholder, insb. der Geschäftsführung, obliegt ebenfalls dem PMO.
Zwei Punkte, die aus meiner praktischen Erfahrung von entscheidender Bedeutung in einem Multiprojektumfeld sind, möchte ich hier explizit erwähnen. Jeder Leser, der bis zu diesem Punkt durchgehalten hat und selbst bereits als Projektleiter tätig war, wird diese Situation vermutlich kennen: das Projekt wurde geplant, die Entscheider haben die Planung abgenickt und nach einer gewissen Weile im Projekt heißt es plötzlich, dass Team-Mitglied X wie aus heiterem Himmel nun in einem anderen Projekt tätig ist, Team-Mitglied Y aufgrund weiterer Tätigkeiten ohnehin immer schon 150% überbucht gewesen wäre und auch kürzer treten muss und Team-Mitglied Z sich in den nächsten Wochen um ein parallel laufendes Projekt, von dem bisher nie die Rede war, kümmern muss und erst danach wieder Kapazität für dieses Projekt hat. Ich hätte mir in der Vergangenheit an dieser Stelle eine übergreifende Instanz gewünscht, die über das von mir als Projektleiter begleitete einzelne Projekt hinaus einen Überblick über Abhängigkeiten zwischen den Projekten, sowie Kapazitäts- und Ressourcenplanungen hat und diese in regelmäßigen Abständen validiert und frühzeitig Konflikte adressiert. Ein PMO kann dies im Rahmen seines Portfolio Managements abdecken und damit sicherstellen, dass Konflikte, die aufgrund von Abhängigkeiten von Projekten untereinander, sowie Kapazitätsengpässen resultieren, frühzeitig aufgedeckt und adressiert werden. Denken Sie daran, wenn Sie Ihr PMO aufbauen.
In meinem nächsten Blogeintrag werde darauf eingehen wie der Ablauf einer PMO-Einführung aussehen kann.
Haben Sie Anregungen? Oder Fragen? Kommen Sie gern auf mich zu!
Tobias Krieftewirth, 24.06.2024
Über mich:
Seit 2007 begleite ich meine Kunden bei der Umsetzung großer Organisations- und IT-Vorhaben, sowie der Einführung von Projektmanagement- und Projektportfoliomanagement-Strukturen. Der Einsatz von passgenauen Methoden – egal ob klassisch, agil oder in hybrider Form – hilft mir dabei meine Kundenprojekte effizient umzusetzen. Im Zentrum steht dabei immer der Mensch: als Teil meiner Projektteams, oder als Nutzer der in meinen Projekten erzielten Ergebnisse.