Nachhaltiger Aufbau eines PMO – Von der Vision bis zum operativen Regelbetrieb


 

Standen Sie auch schon vor der Herausforderung ein Project Management Office (PMO) einzuführen? Aus dem Management im letzten Jour fixe mal eben mit der Aufgabe betraut worden: „Wir brauchen doch eigentlich auch ein PMO, arbeite doch bis zum nächsten Termin mal einen Vorschlag aus, wie das aussehen kann.“ Ganz so einfach ist es leider nicht – allerdings ist es auch gar nicht so schwierig.


Die wichtigste Erkenntnis zuerst: es gibt ohnehin nicht das eine PMO und es ebenso wenig die in Stein gemeißelte Vorgehensweise, wie ein PMO einzuführen ist. Eine PMO-Einführung ist immer eine im konkreten Organisationskontext zu betrachtende individuelle Weiterentwicklung Ihrer Organisation – und das bietet Ihnen jegliche Freiheitsgrade ein PMO gemäß den vorhandenen organisatorischen Anforderungen und Rahmenbedingungen aufzubauen. Die schöne Nachricht ist: Sie können sich hierbei gleichermaßen visionär und strategisch, kreativ und kommunikativ, sowie analytisch und detailverliebt voll austoben.


Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sich anbietet, bei einer PMO-Einführung ein paar Grundprinzipien und einem schrittweisen Vorgehen als Orientierungsrahmen zu folgen.




Grundprinzipien beim PMO-Aufbau



Zuerst die Vision 


Beim Aufbau eines PMO und der Konzeption und Einführung von Projektmanagement-Methodik kann man sich schnell in vielen Details verlieren. Gern wird man zu Beginn mit den unterschiedlichsten Anforderungen überschüttet und man neigt dazu direkt über den konkreten Aufbau von Projektportfolio-Übersichten für das Management zu diskutieren oder über die Frage welche KPI zur Projektfortschrittskontrolle wohl geeignet sind. Das sind alles richtige und wichtige Fragen, die zum geeigneten Zeitpunkt auch besprochen werden. Treten Sie zu Beginn allerdings bewusst einen Schritt zurück, zunächst sind Sie als Visionär gefragt – Ihr Einsatz als Maschinenraum-Ingenieur und das Festzurren der ganzen kleinen Schrauben kommt früh genug.


Überlegen Sie sich eine Vision für das PMO. Die Vision beschreibt wofür das PMO in der Zukunft stehen und was das PMO für die Organisation leisten soll. Gleichzeitig setzt die Vision dann die Leitplanken für alle folgenden strategischen Entscheidungen, die das PMO betreffen, indem sie Ziel und Richtung klar beschreibt.



Kundenfokus im PMO


Das nächste zentrale Grundprinzip betrifft für mich das (Selbst-)Verständnis mit Blick auf die PMO-Rolle innerhalb der Organisation/des Unternehmens. Ich habe es oft erlebt, dass PMOs für Ihre Organisationen Projektmanagement-Standards definiert haben, sich anschließend aber gewundert haben, dass diese keinen Anklang gefunden haben und nicht angewendet wurden. Im Gespräch mit Projektleitern in diesen Organisationen bekomme ich dann häufig geschildert, dass die vorhandenen PM-Standards nicht zu ihrem Projektkontext passen und sie damit also in ihrer Projektsteuerung nichts anfangen können. Verstehen Sie das PMO auf keinen Fall als losgelösten „Richtliniengeber“ für Projektmanagement-Vorgaben.
 

Verstehen Sie Ihr PMO als Dienstleister innerhalb Ihrer Organisation, was gleichzeitig auch bedeutet, dass die Mitglieder Ihrer Organisation Ihre Kunden sind!

Kunden nutzen ein Angebot in der Regel nur, wenn es ihre Bedürfnisse befriedigt. Machen Sie sich die Bedürfnisse Ihrer Kunden klar.


PMO-Aufbau ist Organisationsentwicklung


Der Aufbau eines PMO stellt eine signifikante Veränderung innerhalb Ihrer Organisation da. Zuvor dezentral vorhandene Strukturen werden zentralisiert, neue Standards werden eingeführt, die fortan flächendeckend in der Organisation zum Management aller einzelnen Projekte befolgt werden sollen. Die Organisation entwickelt sich weiter, die zukünftige Arbeitsweise aller in Projekten Mitarbeitenden wird sich ändern. Eine solche Veränderung kann nur dann gelingen, wenn Sie den PMO-Aufbau auch als Veränderungsprojekt verstehen und diese Veränderung aktiv gestalten. Ein professionelles Change Management ist unabkömmlich.



Der richtige Platz im Organigramm


Gerade mit Blick auf das Projektportfolio als Ganzes gibt es immer wieder schwierige Situationen in der Multiprojekt-Landschaft. Es müssen Prioritäten zugunsten eines Projekts – und damit zulasten von anderen Projekten - gesetzt werden. Manche Situationen erfordern schnelle Entscheidungen durch das Management. Das PMO hat die Aufgabe diese Entscheidungsprozesse vorzubereiten und zu moderieren. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, das PMO in der Unternehmensorganisation sehr hoch als Stabsstelle zu verankern. Ein ggf. notwendiges „Durchgreifen“ ist so einfacher. Bei kleineren Unternehmen, die ein PMO für die gesamte Organisation haben, kann das PMO als Stabsstelle bei einem Geschäftsführer angesiedelt sein, bei größeren und diversifizierteren Unternehmen bietet es sich an PMOs in den einzelnen Geschäftsbereichen zu haben, hier kann das PMO als Stabsstelle beim jeweiligen Geschäftsbereichsleiter liegen.




Schrittweises und iteratives Vorgehen beim Aufbau des PMO


Die gerade geschilderten Grundprinzipien immer im Auge habend, schlage ich meinen Kunden in der Regel ein schrittweises und in wesentlichen Teilen iteratives Vorgehen zum Aufbau ihres PMO vor. In diesem Vorgehen erfolgt der PMO-Aufbau in den Schritten:


  • Entwicklung einer Vision und Mission
  • Durchführen einer Standortbestimmung und Definition von Gestaltungsräumen
  • Iterativer Aufbau des PMO und Einführung von Standards für das Projekt- und Projektportfoliomanagement
  • Begleitendes Change Management




Entwicklung einer Vision und Mission

Es gibt die unterschiedlichsten Auslöser für die Entscheidung in einer Organisation ein PMO einzuführen. Oft passiert dies auf Wunsch aus dem Management heraus um zum Beispiel einen besseren (manchmal auch um überhaupt einen) Überblick über das Projektportfolio zu erhalten um dieses besser (oder überhaupt) priorisieren und steuern zu können. Insbesondere in Zeiten von knappen Budgets kommt diese Forderung vermehrt auf. Seltener, aber ebenfalls bereits beobachtet, kann der Wunsch nach einem PMO auch bottom-up aus den Projekten heraus erfolgen. Hier sind es dann in der Regel Projekt- oder Programmleiter, die den Wunsch nach operativer Unterstützung durch Project Office Consultants haben, oder sich zum Beispiel ein zentrales Ressourcenmanagement wünschen.

Hat Ihre Organisation die Entscheidung zum Aufbau eines PMO getroffen und Sie sind mit der Aufgabe betraut worden, werden Sie auf eine Vielzahl von unterschiedlichsten Reaktionen treffen. Teils werden direkt konkrete Wünsche und inhaltliche Anforderungen an Sie herangetragen, teils werden Sie aber auch auf ablehnende Reaktionen treffen. Nicht selten habe ich es erlebt, dass aus den operativen Projekten heraus zu Beginn sehr kritische Stimmen zu hören waren, die ein PMO als „Bürokratie“, „Formalitätenmonster“ oder „kostet-nur-Geld-bringt-aber-keinen-Mehrwert“ bezeichnet haben. Diesen Prozess des Wünsche, Anforderungen, aber auch kritische Meinungen in die richtige Richtung Lenkens müssen Sie als für den PMO-Aufbau verantwortliche Person steuern. Meine Erfahrung hierbei hat mich darin bestärkt, dass man am Anfang – bevor man sich in den ganzen konzeptionellen Details verliert – eine Vision und Mission für das PMO entwerfen und mit den wesentlichen Stakeholdern abstimmen sollte.


Die Vision beschreibt das Zielbild, den Zustand wofür Ihr PMO in der Zukunft stehen soll. Gleichzeitig soll sie auch den Wert darstellen, den das PMO für die Organisation haben soll. Hierbei sollte die Vision kurz gefasst sein, sowie einprägsam und inspirierend. Letztgenannter Punkt gilt insbesondere mit Blick auf die Mitarbeitenden im PMO. Ein Beispiel für eine Vision könnte lauten:


„Wir schaffen die bestmögliche Umgebung, die erstklassiges Projektmanagement und eine hohe Effizienz in der Projektumsetzung möglich macht!“


Die Mission ist konkreter gedacht, hier wird explizit auf das Leistungsangebot Ihres PMO, sowie die „Kunden“ der PMO-Leistungen Bezug genommen. Die Mission soll den eigentlichen Sinn des PMO beschreiben, den Daseinszweck. Eine zur oben genannten Vision beispielhaft passende Mission könnte heißen:


„Wir setzen organisationsweit die Standards um Projekte in Einklang mit der Organisationsstrategie zu formulieren und priorisieren und liefern die Werkzeuge und die personelle Projektmanagement-Unterstützung sie erfolgreich umzusetzen.“


Abgestimmte Vision und Mission und ein daraufhin erteilter Umsetzungsauftrag vom Management liefern die Marschrichtung für den sich anschließenden konzeptionellen Aufbau des PMO. Zu diesem Zeitpunkt sollte auch bereits ein kleines Kernteam existieren, mit dem die nachfolgenden Aktivitäten in Angriff genommen werden.


Standortbestimmung und Definition von Gestaltungsräumen


Die zweite Phase beim Aufbau eines PMO hat zum Ziel die Ist-Situation mit Blick auf das Projekt- und Projektportfoliomanagement in der Organisation zu betrachten und daraus abgeleitet Gestaltungsräume zu definieren. Hierbei geht es übrigens nicht darum immer alles neu machen zu müssen. Gerade in Organisationen mit einem geringen Standardisierungsgrad im Projektmanagement sehe ich immer wieder, dass dezentral tolle Methoden in der Projektsteuerung angewendet werden, allerdings betrifft dies dann aber oft einzelne Projektmanager oder einzelne Abteilungen und die Vorgehensweisen sind in der Breite in der Organisation nicht bekannt. Nehmen Sie sich für diese Phase bewusst die Zeit um die Projektmanager in Ihrer Organisation und deren „Art“ des Projektmanagements kennenzulernen: welche Prozesse wenden sie wann an, welche Methoden und Tools werden genutzt.


Mit Blick auf das Vorgehen in dieser Phase bietet sich aus meiner Erfahrung eine Mischung aus Einzelgesprächen und Gruppenworkshops an. Ich würde immer empfehlen Einzelgespräche mit den Projektmanagern (mindestens mal) der Top10-Projekte Ihrer Organisation durchzuführen und diese zu ihrem PM-Vorgehen zu interviewen. Überlegen Sie sich vorher welche Fragen Sie stellen wollen. Ziel ist immer herauszuhören was gut funktioniert und was fehlt bzw. anders gestaltet werden könnte. Ein vorbereiteter Fragebogen macht hier sicherlich Sinn. Zusätzlich sollten Einzelgespräche mit ausgewählten Projektmanagern von kleinen oder mittelgroßen Projekten geführt werden, da diese Projekte in der Regel nicht in den Top10 vertreten sind und meistens auch ganz andere Erfordernisse mit Blick auf das Projektmanagement haben. Last, but not least würde ich immer empfehlen Ihr Management zu interviewen und deren konkreten Blick auf das Projektmanagement in Erfahrung zu bringen. Üblicherweise werden hier neue Perspektiven eröffnet, oft werden Anforderungen, Wünsche (oder auch Bedenken) mit Blick auf fehlende KPIs zu den Projekten oder Projektportfolio-Übersichten geäußert, die für strategische Entscheidungen benötigt werden.


Das Format der Gruppenworkshops bietet sich an um die bisher aus den Einzelgesprächen zusammengetragenen Ergebnisse einem größeren Plenum vorzustellen und diese Ergebnisse zu diskutieren. Daran anschließend können in der Gruppe konkrete Anforderungen an das neue PMO beschrieben und priorisiert werden. Lassen Sie die Anforderungen gern in Form von User Stories verfassen, das stärkt den Kundenfokus des PMO und lässt besser deutlich werden, warum etwas aus Sicht Ihrer Kunden gewünscht ist.



Aufbau des PMO und Einführung von Projekt- und Projektportfoliomanagement-Standards


Nun beginnt der konzeptionelle Aufbau Ihres Project Management Offices und die Gestaltung und Einführung der Prozesse, Methoden und Tools. Welche Bereiche ein PMO abdecken kann habe ich in meinem letzten Blogeintrag bereits beschrieben. Die Gestaltungsräume, die in Ihrem konkreten Fall existieren, haben Sie zuvor ja bereits mit dem Sammeln, Ausgestalten und Priorisieren der Anforderungen aus Ihrer Organisation definiert. Mit Blick auf die Konzeption und Einführung der neuen Standards gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Manche bevorzugen einen klar sequenziellen Ansatz, in dem zunächst alle Standards entwickelt werden, die Organisation geschult und im Anschluss in den operativen Projekten angewendet werden. Ich persönlich würde Ihnen hier aber immer ein eher agiles Vorgehen empfehlen. Bauen Sie Ihr PMO peu à peu in einer iterativen Vorgehensweise auf. Dies hat den Vorteil, dass Sie wichtige Anforderungen schnell umsetzen können und damit schnell einen Nutzen für Ihre Organisation erzielen. Gleichzeitig steigern solche schnell Nutzen bringende Ergebnisse von Beginn an die Akzeptanz für das neue PMO, was mit Blick auf den Veränderungsprozess in der Organisation nur hilfreich ist. Darüber hinaus bietet ein iteratives Vorgehen den Vorteil, dass Sie in stetigem Austausch mit den Projektmanagern und dem Management (beides in dem Fall Ihre Kunden) bzgl. der neuen Standards sind, kontinuierlich Feedback erhalten und kleine Verbesserungswünsche schnell umsetzen können.

Iteratives Vorgehen soll übrigens nicht bedeuten, dass in jeder Iteration unbedingt neue Methoden, Tools und Templates bereitgestellt werden müssen. Das Ziel einer Iteration kann zum Beispiel durchaus sein, die Projektmanager bzgl. eines neu eingeführten Standards zu schulen („Schulungsiteration“) oder beispielweise eine neue Methode in den laufenden Projekten einzuführen („Rollout-Iteration“). Ebenfalls sollten Sie sich klare Ihr PMO-Team betreffende Ziele für die Iterationen setzen, wenn Sie zum Beispiel das Team mit Project Office Consultants ausbauen wollen.


Ein iteratives Vorgehen ermöglicht es Ihnen auch Ihr PMO als Dienstleister zu betrachten, dessen Angebot über die Zeit – parallel zum Regelbetrieb - immer weiter entwickelt wird. Ein rein sequenzielles Vorgehen, das eine Implementierungsphase hat, die irgendwann endet, setzt oft einen anderen Fokus.



Begleitendes Change Management


Wie weiter oben bei den Grundprinzipien schon beschrieben, ist die Einführung eines PMO und das Einführen von Projektmanagement-Standards eine Veränderung, die mit Hilfe von Change Management Methoden moderiert werden sollte, damit sie erfolgreich und vor allem nachhaltig ist. Hierzu könnte man nun ganze Bücher füllen, ich möchte an dieser Stelle lediglich auf wenige Punkte eingehen, die aus meiner Erfahrung besonders wichtig sind:

  • Nehmen Sie sich zu Beginn ausreichend Zeit für eine Stakeholder-Analyse, hören Sie aufmerksam in Ihre Organisation hinein und binden vor allem auch solche Personen aktiv ein, deren Wort ein Gewicht hat und die einem PMO zunächst nicht positiv gegenüber stehen. Machen Sie diese Kritiker zu Ihren Verbündeten! Auch hier gibt es richtige und wichtige Erkenntnisse zum Projektmanagement in Ihrer Organisation. Diese gilt es in konstruktive Vorschläge für das zukünftige Projektmanagement umzuwandeln.
  • Definieren Sie klare Veränderungsziele, versehen diese mit einem Nutzen für die Organisation. Kommunizieren Sie diesen Nutzen! Damit erzeugen Sie eine Bereitschaft für die Veränderung! Alles das, was Sie neu einführen wollen, muss einen Nutzen für Ihre Organisation haben, d.h. Ihre Organisation wird damit effizienter, besser, schneller, sorgfältiger oder weniger fehleranfällig. Die Chancen auf Projekterfolg steigen für jeden einzelnen Projektmanager. Diesen konkreten Nutzen müssen Sie Ihrer Organisation kommunizieren, je konkreter und verständlicher, desto besser. Erzählen Sie doch mal eine Geschichte (Stichwort „Storytelling“)… .
    (By the way – „effizienter, besser, schneller, sorgfältiger oder weniger fehleranfällig“: Dies sollte auch immer der Maßstab sein, gemäß dem alle Ideen mit Blick auf neue Standards kritisch zu prüfen sind. So vermeiden Sie es tatsächlich sinnlose Bürokratie aufzubauen).
  • Hören Sie regelmäßig in Ihre Organisation hinein um in Erfahrung zu bringen, ob Sie mit dem PMO-Aufbau und den PM-Standards weiterhin auf dem richtigen Weg sind. Im Change Management gibt es die „Pulse Survey Methode“. Diese ermöglicht es Ihnen im Veränderungsprozess nachzusteuern und es hilft ebenfalls eine dauerhafte Veränderungskultur zu implementieren.


Was sind Ihre Erfahrungen beim Aufbau eines PMO? Haben Sie persönliche Best-Practice-Ansätze? Haben Sie Fragen oder Anregungen? Kommen gern auf mich zu!



Tobias Krieftewirth, 18.07.2024



Über mich:

Seit 2007 begleite ich meine Kunden bei der Umsetzung großer Organisations- und IT-Vorhaben, sowie der Einführung von Projektmanagement- und Projektportfoliomanagement-Strukturen. Der Einsatz von passgenauen Methoden – egal ob klassisch, agil oder in hybrider Form – hilft mir dabei meine Kundenprojekte effizient umzusetzen. Im Zentrum steht dabei immer der Mensch: als Teil meiner Projektteams, oder als Nutzer der in meinen Projekten erzielten Ergebnisse.